Pille: | Valette (Wirkstoff: Dienogest) |
Anmerkung der SDG: | Uns liegen derzeit keine ausreichenden Studien über den Wirkstoff Dienogest vor. Ob ein höheres Thromboserisikozu Pillen der 2. Generation vorliegt ist daher nicht abschließend geklärt, wird aber vermutet. |
Einnahmedauer: | ca. 4 Jahre |
Symptome: | Atemnot, Gleichgewichtsstörungen |
Nebenwirkung: | beidseitige Lungenembolie, Herzstillstand |
Raucher: | Nein |
Übergewicht: | Ja |
Meine Erfahrungen:
Eigentlich fing die ganze Odyssee bereits im Juni 2010 an. Ich ging damals morgens mit meiner Kollegin in unser Büro in den ersten Stock. Oben angekommen wurde ich plötzlich ohnmächtig. Ich wurde vorläufig in ein nahegelgenes Krankenhaus gebracht und nach ca. 4 Stunden am EKG Gerät ohne Befund entlassen. Seither hatte ich immer wieder Gleichgewichtsstörungen, es fühlte sich an als würde ich über eine weiche Matratze laufen, und Herzrasen. Der Blutdruck schwankte zwischen Keller und Wolkenkratzer hin und her. Ich rannte vom Hausarzt, zum Orthopäden zum HNO und Augenarzt. Alles ohne weiteren Befund.
Im Juli ging mir dann so Elend, dass mein Orthopäde mich ins Krankenhaus schickte. Nach internistischer Abklärung(Langzeit- und Belastungs EKG, Stress- und Schluckecho kam ich nach 10 Tagen wieder nach Hause. Der Oberarzt meine damals er würde mir Raten, mich in eine Hormonklinik einweisen zu lassen. Leider habe ich diesen Rat nie befolgt. Mein Hausarzt schickte mich nach der Entlass und aus dem Krankenhaus zum Neurologen, der mir nach einem 3 Minuten Gespräch Paroxetin, ein Antidepresiva verschrieb. Diagnose: Panikattacken.
Ich war stink sauer und fühlte mich nicht ernst genommen mit meine Beschwerden. Also, zurück zum Hausarzt. Nach einem lautstarken Streitgespräch mit ihm gab ich nach: „Dann nehm ich dieses Zeug halt um Euch zu beweisen, dass ich mir das nicht einbilde.“
Einige Symptome wurden besser nach anfänglichen Nebenwirkungen (z.B. Suizidgedanken: hatte ich bis dahin absolut noch nie gehabt, scheint unter Paroxetin aber normal zu sein), nie aber wurde ich mehr beschwerdefrei. Aber im Großen und Ganzen kam ich klar.
Gegen Ende November 2012 eskalierte mein Zustand dann. Ich immer wieder teils schwere Atemnot. Ich dachte zunächst, dass mangelnde Bewegung in den Wintermonaten schuld wären. Zudem nahm ich aufgrund der Paroxetin und „Angst vor der Angst – also ja nicht überanstrengen“ rund 25 kg zu. Irgendwann hatte ich es in der Arbeit kaum noch den Gang entlang (ca. 100 Meter) bis zur Toilette geschafft ohne völlig außer Atem zu sein. Ich hatte ein Stechen beim Atmen.
Meine Kollegin machte mich darauf aufmerksam, dass DAS nichtmehr normal sein kann und schickte mich zum Arzt nahem meiner Arbeitstelle. Die Ärztin vor Ort entnahm Blut und schrieb ein EKG, schickte mich nach Hause und sagte mir ich soll am nächsten Tag nochmal kommen wegen der Blutwerte, das EKG wäre OK.
Am nächsten Tag ging ich nochmal zu meinem Hausarzt. Er wollte ein EKG machen, ich sagte ihm dass das bereits gestern gemacht wurde aber alles ok ist. Also gut dann kein EKG! Ich sagte ihm, dass ich teilweise einen Ruhepuls von 100-120 Schlägen / Minute habe und es mich daher nicht wundert, kaum noch die Treppe in den ersten Stock zu meiner Wohnung und Arbeit laufen zu können. Aufgrund dieser Aussage und ohne weitere Untersuchung verschrieb er mir nun Beta Blocker, die ich an diesem und nächsten Tag nahm.
Die Ärztin bei der ich ursprünglich war rief ich wegen meiner Laborwerte an. Sie wollte aber nicht am Telefon mit mir sprechen, ich solle hinkommen. (ca. 25 km einfache Strecke) Aufgrund meiner stetig schlimmer werdenen Symptome entschied ich mich aber nochmals einen Arzt vor Ort aufzusuchen.
Am gleichen Tag suchte ich auch noch meinen Frauenarzt auf und fragte ihn, ob meine Probleme ggf. auf die Pille zurückzuführen sind. (Schwindel, Herzrasen, Gleichgweichtstörungen ect.) Mein Frauenarzt sagte mir dass die Valette im Allgemeinen gut verträglich ist und da „eigentlich“ nichts sein dürfte. Am 1. Dezember 2012 verabredete ich mich mit meiner Mutter zum Shoppen; ich wollte sie abholen, gleich nachdem ich den Müll hinunter gebracht habe. Bei den Mülltonnen angekommen brach ich wohl zusammen. Ich rief geistesgegenwärtig meine Mutter an und hauchte ins Telefon, sie solle ganz schnell kommen, mir geht es gar nicht gut.
Als sie wenige Minuten später bei mir war bat sie Nachbarn den Notarzt zu verständigen, da ich erneut Ohnmächtig wurde bei dem Versuch aufzustehen. Der Notarzt kam und brachte mich ins Klinikum.
In der Notaufnahme angekommen muss hatte ich noch auf die Fragen einer Krankenschwester geantwortet und dann plötzlich ….HERZSTILLSTAND
Diagnose: beidseitige Lungenembolie
Es wurde sofort eine Lyse – Therapie eingeleitet und ich wurde geschlagene 2,5 Stunden reanimiert mit Hilfe von LUKAS 2!!! (Danke Lukas) Alles was bis hierhin geschah ist sind Erzählungen meiner Familie und Kollegen. Ich habe an alles was 1 Woche vor der Embolie geschah absolut KEINE ERINNERUNG mehr!.. nichts.. garnix!! alles weg.
Es wurde versucht mit eine Life-Bridge zu legen, was allerdings nicht gelang. Mir wurden fast 3 Liter Blutkonserven zu geführt, da ich inzwischen aus jeder Körperöffnung geblutet habe…
Meine Mutter wurde gebeten die Familie zusammen zu rufen da meine Überlebenschancen auf ca. 1 % geschätzt wurden. Ich wurde ins Koma versetzt für 5 Tage, wachte aber weitere 7 Tage lang nicht auf. Pulmonariskatether gelegt und Hirnschäden aufgrund der mangelnden Sauerstoffzufuhr getestet.
Zitat aus Arztbrief: Zur Beurteilung des Hirnstaus wurden ein EEG sowie eine MRT Untersuchung des Schädels durgeführt. Es ergaben sich Zeichen eines hypoxischen Hirnschadens, im EEG zeigte sich eine mittelschwere Allgemeinveränderung. Die Patientin wurde jedoch zunehmend wacher und kannte am 12.12.2012 erfolgreich extubiert werden. Im Verlauf war die Patientin ansprechbar, voll orientiert und konnte alle Extremitäten bewegen.
Am 18 Dezember 2012, einen Tag nach meinem 35. Geburtstag, wurde ich ein anderes Klinikum zur Neurologischen Frühreha gebracht. Ich habe dann noch einmal auf eigenen Wunsch die Klinik gewechselt und bin nun seit 11 Februar 2013 zu Hause (ohne AHB).
Aufgrund der Critical-Illness Polyneuropathie1, die ich auf der Intensivstation hinzubekam und meines Hirnschadens habe ich noch immer etwas Schwierigkeiten beim Laufen, Belastbarkeit, Feinmotorik ect. Mein Gleichgewicht ist teils einer kleine Katastrophe. Mein linker Arm ist ständig „schwer“ und mein Ishiasnervt ist stark in Mitleidenschaft gezogen. Beide Beine sind gefühlsarm (kann z.B. Kalt und Warm nicht erkennen) und schmerzen bei Belastung.
Ich hatte vor der Valette Biviol, dann 3-Monatsspritze und Cerazette eingenommen (alle drei wegen Zwischenblutungen abgesetzt). Seit August 2010 bin ich Nichtraucher, wenngleich ich inzwischen übergewichtig bin.
Der Faktor V Leidenstest viel nicht eindeutig aus. Leiden ja aber keine Mutation. Dier Ärzte meinen er sollte irgendwann , nach Absetzen von Marcumar wiederholt werden. Ich kann allerdings überhaupt nicht nachvollziehen, warum Frauen bzw. Mädchen nicht generell auf diese Faktor Leiden getestet werden, wenn dabei die Thrombosegefahr scheinbar ins unermessliche steigt. Krebsvorsorge wird doch auch regelmäßig gemacht.
Ich lese immer wieder „es steht ja aber in der Packungsbeilage drin“ – Richtig: aber die meisten Ärzte sind, wie bei mir nach wie vor der Meinung: DA KANN NIX SEIN! Und den Menschen, der Dir gegenüber sitzt und Jahrelang studiert hat und Erfahrungen hat vertraut man nun mal mehr als ein für den „Worst Case“ geschriebenes Blatt Papier.
1 Unter Critical-Illness Polyneuropathie versteht man eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die häufig im Zusammenhang mit schweren, intensivmedizinisch behandlungspflichtigen Erkrankungen auftritt. Quelle: Wikipedia