Pille: | Lamuna 20 |
Wirkstoff: | 0,15 mg Desogestrel, 0,02 mg Ethinylestradiol |
Einnahmedauer: | 7 Jahre |
Symptome: | Kopfschmerzen, einseitiger pulsierenderer Tinnitus |
Diagnostiziert: | Sinusvenenthrombose |
Raucher: | Nein |
Übergewicht: | Nein |
Mein Erfahrungsbericht:
Ich nahm bereits seit drei Jahren die Pille „Valette“ mit antiandrogener Wirkung, um neben der erwünschten Verhütung auch der Aknebildung/einer fettigen Haut vorzubeugen. Bei einer Kontrolluntersuchung bat mein Frauenarzt mir an auf „Bella Hexal“ umzusteigen. Er sagte es enthalte einen neueren Wirkstoff, der noch besser die Akne beseitigt. Ich willigte natürlich ein, welche betroffene Frau träumt nicht davon dem Alptraum der anhaltenden Pubertätszeichen (Pickel seit der Pubertät, obwohl man schon längst nicht im Pubertätsalter ist) zu entfliehen!
Ich nahm Bella Hexal bereits seit einem Jahr und steckte gerade in einer intensiven Prüfungsvorbereitungsphase mit schlaflosen Nächten und tagelangem Lernen, Kopfschmerzen inklusive, als ich plötzlich ein piepsendes Geräusch im rechten Ohr wahrnahm, es wurde sehr laut und hörte sich wie ein Signallaut mit kurzen Unterbrechungen. Ich hatte damals gedacht es sei stressbedingt und wird schon vorbeigehen, einen Überschuss an Aspirin eingeworfen und an der Grenze meiner Belastbarkeit (Druck auf dem Kopf, Konzentrationsstörungen, lautes Piepsen rechts) mit dem Lernen weitergemacht – ich konnte mir schließlich nicht erlauben durch die Klausuren zu fliegen und mein Studium zu gefährden. Die Prüfungsphase hatte ich mit Not überstanden, aber der Tinnitus ging nicht zurück, ich hatte noch ironisch gescherzt, die Außerirdischen würden mir morsecodierten Nachrichten schicken.
Mein Hausarzt meinte nur dass es wahrscheinlich durch psychische Überlastung zustande gekommen ist. Dass der Tinnitus nur einseitig war (rechtes Ohr) fand er zwar seltsam, da könne man nichts machen. So wartete ich drei Monate, aber das Piepsen ging nicht weg. Mein HNO-Arzt tippte auf eine Entzündung irgendwo hinter dem Ohr und verschrieb mir Kortison-Tabletten. Ansonsten könne man da nichts machen, meinte er auch, und sagte noch dazu, dass wenn ich mich innerhalb der ersten Tage nach dem Auftreten des Tinnitus gemeldet hätte, hätte ich eine Kortison-Infusion bekommen, was eher zum Erfolg geführt hätte. Heute weiß ich: dass ich mich nicht sofort beim HNO-Arzt gemeldet hatte, hat mir wahrscheinlich das Leben gerettet, denn hochdosierte Kortison-Infusion ist „blutverdickend“ und hätte meine Venenthrombose im Kopf noch verschlimmert, womöglich mit letalem Ausgang. Als ich drei Monate später meinen Frauenarzt beim Routinebesuch über Tinnitus erzählte, hatte er gemeint, ja, es könnte vielleicht eine Nebenwirkung von der „Bella Hexal“ sein und schlug mir vor auf „Lamuna 20“ umzusteigen, was ich auch tat.
Diese habe ich dann sieben Jahre eingenommen, der Tinnitus ist immer noch da und ich habe immer wieder Kopfschmerzen, die ich bis vor Kurzem immer auf den Stress zurückgeführt habe. So kann man sich irren… Als mir aufgrund meiner permanenter Kopfschmerzen ein Angio-CT gemacht worden ist, kam es heraus: ich hatte eine ältere Thrombose in der Kopfvene Sinus transversus rechts. Da habe ich gleich an meinen Tinnitus rechts gedacht und als ich dann im Internet nach Sinusvenenthrombose und Tinnitus suchte – voila – da war es: pulsierender einseitiger Tinnitus und die Sinusvenenthrombose gehören zusammen! Nur dass es keinem der Ärzte eingefallen ist, macht mich schon wütend, haben die da oben keine „Ursache-Wirkungsdiagramme“ zum Nachschauen? Dass ich mit meinen Symptomen (Kopfschmerzen, Konzentrationsstörung, rasche Erschöpfbarkeit, ständige Müdigkeit und dieser verdammter einseitiger Tinnitus) in die Psycho-Ecke geschoben worden war, z. B. mein Hausarzt hatte mir Psychopharmaka verschrieben und wollte mich zur Psychotherapie schicken – vielen Dank auch!
Die Ärzte meinen wohl, wenn eine junge Frau mit einem guten Blutbild über Beschwerden einer alten Oma klagt, dann muss es wohl was psychisches sein! Ich habe das Gefühl die Ärzte seien nur an alten multipel erkrankten Patienten interessiert, wo man die Krankenkassen so richtig abkassieren kann, die jüngeren Patientinnen werden nur belächelt (so jung und schon so krank? sie haben aber gute Laborwerte und ihr EKG ist auch in Ordnung, reißen sie sich zusammen und jammern sie nicht so viel – es gibt doch schließlich viel schlimmere Beschwerden. Nur die Sterblichkeit und gravierende Spätfolgen bei unerkannter und unbehandelter Sinusvenenthrombose sind so schrecklich hoch.) Natürlich hatte ich ein Riesenglück. Bis auf die Kopfschmerzen und Tinnitus, welche mal besser mal schlechter sind, habe ich keinen Schaden davongetragen – es hätte viel schlimmer ausgehen können. Ich habe die „Pille“ sofort abgesetzt, habe einen Termin im Gefäßzentrum nächste Woche, um zu prüfen, ob ich auch noch in den Beinen Thrombosen habe, dann muss ich meine Lunge auch noch überprüfen, da ich immer wieder mal nachts Luftnot hatte und das wieder auf Stress zurückgeführt hatte. In unserer Leistungsgesellschaft ist das Wort „Burnout“ so populär geworden, das die betroffenen wie ich anfangen auch noch daran zu glauben und zu wenig Druck auf die Ärzte ausüben, um nach physiologischen Ursachen für klinische Symptome zu suchen, es ist doch so viel einfacher alle für geisteskrank zu erklären und sie dann mit Psychopharmaka ruhig zu stellen! Noch etwas, es liegt in der menschlichen Natur Risiken zu verdrängen, ich hatte zwar immer wieder von dem Thrombose-Risiko von oralen Kontrazeptiva gehört, aber ich bin Nichtraucherin, BMI 22, ernähre mich gesund, mache dreimal die Woche Sport. Die Thrombose, das kriegen die anderen, die die rauchen und sich wenig bewegen, ich bin nicht in der Risikogruppe – dachte ich.
Zu viel gedacht…, oder zu wenig. Ich wünschte mir nur die jungen Frauen wie ich würden nicht durch die angeblich geringen Wahrscheinlichkeiten einer Thrombose belegt durch Statistiken ruhiggestellt und ihre Beschwerden verharmlost werden. Denn wer weiß wie viele Thrombosen über Jahre hinweg unentdeckt bleiben und dann wie bei mir durch einen Zufall ans Licht kommen (oder auch nicht). Ich muss jetzt damit leben, dass ich für immer einen Thrombus im Kopf habe und vielleicht knapp dem Tod entkommen bin.