Die Rede von Felicitas:
Mein Name ist Felicitas Rohrer und ich möchte über ein wichtiges Thema sprechen: Die Folgen und Nebenwirkungen drospirenonhaltiger Antibabypillen.
Antibabypillen der neusten Generation aus dem Hause BAYER wie etwa Yasmin, Yasminelle, Yaz und Petibelle enthalten den Wirkstoff Drospirenon. Drospirenon steht im Verdacht ursprünglich als Diuretikum entwickelt worden zu sein, d.h. als Ausschwemmmittel, das Wasser aus dem Organismus ausschleusen soll. Meine Frage an den Vorstand: Stimmt es, dass Drospirenon ein Diuretikum ist und dass erst später entdeckt wurde, dass der Wirkstoff auch Hormon-Eigenschaften hat? Denn gerade diese Wirkungsweise von Drospirenon stellt auch dessen größtes Problem dar. Der Wirkstoff entzieht dem Körper besonders viel Wasser, wodurch sich das Blut verdickt und das Thromboserisiko der Anwenderinnen enorm erhöht wird. Eine solch gesteigerte Thrombosegefahr im Vergleich zu älteren Präparaten haben zahlreiche Studien unabhängiger Wissenschaftler nachgewiesen und belegt: So wurde etwa in einer niederländischen Studie aus dem Jahr 2009 ein bis zu fünffach erhöhtes Thromboserisiko und in einer dänischen Studie aus demselben Jahr ein doppeltes Risiko im Vergleich zu Präparaten ohne Drospirenon festgestellt. Auch zwei erst kürzlich erschienene neue medizinische Studien weisen auf ein erhöhtes Risiko von Blutgerinnseln hin. Untersuchungen auf der Grundlage von britischen und amerikanischen Daten ergaben hier ein bis zu dreifach erhöhtes Risiko gegenüber älteren Pillen.
Die Verwendung von Drospirenon in der Yasmin-Produktfamilie ermöglichte es Bayer jedoch, die Pillen als Schlankmacher zu bewerben, die dem ganzen Körper gut tun und über einen „Feel-Good-Effekt“ verfügen. Profitgierig hat BAYER damit Millionen junger Mädchen geködert und sie so einer erheblich größeren Gesundheitsgefahr ausgesetzt. Doch ist eine solche Unternehmenspraxis zu Lasten derer, die Ihnen ihr Vertrauen aussprechen, indem Sie ihre Produkte kaufen, tatsächlich zu rechtfertigen, Herr Dr. Dekkers?
Ihr Haus war im vergangenen Jahr und auch auf der Hauptversammlung 2010, bei der ich ebenfalls hier zu Ihnen gesprochen habe, stets darum bemüht, weiterhin am positiven Risiko-Nutzen-Profil der Yasmin-Pillen festzuhalten. Stets wurde auf die von Bayer selbst initiierten und finanzierten Studien hingewiesen, die von einem vergleichbaren Risiko drospirenonhaltiger Pillen mit den Pillen älterer Generationen ausgehen. Betroffene wurden als bedauerliche Einzelfälle abgetan. Ich möchte gerne von Ihnen wissen, Herr Dr. Dekkers: Sind 12 tote Frauen in Deutschland und rund 200 tote Frauen in den USA nach der Einnahme einer Pille aus der Yasmin-Familie wirklich als Einzelfälle zu bewerten?
Und auch ich bin heute hier nicht allein – ich bin kein anonymer Einzelfall: Ich bin Felicitas, 26 Jahre und erlitt vor eineinhalb Jahren durch die Einnahme der Antibabypille Yasminelle eine doppelte Lungenembolie mit akutem Herzstillstand und einer Überlebenschance von 3%. Ich war für 20 min klinisch tot. Mit mir sind hier: Nana, Lungenembolie mit 30 nach Einnahme der Yaz. Susan, Lungenembolie mit 29 nach Einnahme der Yasminelle. Britta, beidseitige Lungenembolie mit Rechtsherzinsuffizienz mit 32 nach Einnahme der Yasminelle. Antonia, sieben Lungenembolien ab dem Alter von 16 Jahren nach der Einnahme der Yasmin. Und es sind Angehörige und Freunde von jungen Frauen hier, auch von Frauen, die nicht mehr selbst kommen konnten. Weil sie tot sind. Oder schwerst behindert. Auch die Mutter von Celine, der jungen Schweizerin, die im Alter von 16 Jahren die Yaz einnahm und seither spastisch gelähmt ist, nicht mehr sprechen oder laufen kann und künstlich ernährt werden muss, auch ihre Mutter wäre heute gerne gekommen. Sie ist verhindert, weil sie erfreulicherweise gerade in der Schweiz einen Prozess gegen BAYER führt! Auch ein Mann aus Österreich wäre heute gerne hier, der mich eines Mittwochabends anrief und sagte, dass er gerade die Beerdigung seiner 21-jährigen Tochter vorbereitet. Sie nahm ebenfalls eine Antibabypille aus der Yasmin-Familie. Kathrin Weigele, die im vergangenen Jahr hier ebenfalls zu Ihnen gesprochen hatte und die mich beim Verfassen dieser Rede unterstützt hat, wäre heute auch gerne hier. Sie erlitt im Alter von 24 Jahren nach der Einnahme der Yasmin eine schwere beidseitige Lungenembolie mit einer Überlebenschance von 5%. Aufgrund dringend notwendiger Reha-Maßnahmen kann sie heute leider nicht hier sein. Die Liste der Namen ließe sich beliebig weiterführen. Seit Kathrin Weigele und ich an die Öffentlichkeit getreten sind, haben sich zahlreiche betroffene Mädchen und Frauen sowie deren Familien an uns gewandt.
Herr Dr. Dekkers, wie können Sie angesichts der stetig steigenden Anzahl an Geschädigten immer noch von Einzelfällen sprechen? Wie können Sie weiterhin ein positives Sicherheitsprofil der von Ihnen vertriebenen Antibabypillen propagieren? Wie viele Opfer und Todesfälle gibt es wirklich? Warum werden Angaben zur Häufigkeit von schweren Nebenwirkungen und sogar Todesfällen vom Bayer-Konzern weiterhin verschwiegen? Wann legen Sie endlich alle Ihnen gemeldeten Nebenwirkungen und Anwendungsstudien offen?
Wir stehen hier als Betroffene oder als Angehörige im Namen unzähliger Frauen, die durch Ihre drospirenonhaltigen Pillen das Leben verloren haben oder schwer geschädigt wurden. Wir stehen hier – Reagieren Sie endlich auf uns!
Als Marktführer auf dem Gebiet der Antibabypillen tragen Sie mit die Verantwortung für etwa 100 Millionen Frauen, die weltweit mit der Pille verhüten. Auch auf der Homepage der Bayer-Healthcare, einem Ihrer Tochterunternehmen, ist zu lesen: “Wir arbeiten nachhaltig und stellen uns unserer Verantwortung als sozial und ethisch handelndes Unternehmen.“ Gehört zu einer solchen Verantwortung nicht auch die ehrliche und umfassende Aufklärung über die Risiken Ihrer Produkte? Im März 2010 wurden Sie von verschiedenen europäischen Arzneimittelbehörden, darunter auch dem deutschen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dazu aufgefordert, den Beipackzettel der Yasminprodukte zu ändern. Sie wurden dazu aufgefordert, diesen um Risikohinweise zu ergänzen und auf die erhöhte Thrombosegefahr unter Drospirenon hinzuweisen. Meine Frage an den Vorstand: Warum ist bis heute nichts passiert? Der „aktuelle“ Beipackzettel und die Fachinformation sind auf dem Stand von Mai 2009! Gibt es eine Frist zur Umsetzung der Änderungen? Wenn ja, wann endet diese? Bisher sind Sie Ihrer viel zitierten Verantwortung in keinster Weise nachgekommen. Stattdessen streichen Sie munter weiter Gewinne ein und gefährden weiterhin das Leben junger Frauen.
Ihre Untätigkeit ist allumfassend. Warum werden Studien und Hinweise unabhängiger Wissenschaftler weiterhin nicht ernst genommen? Warum werden Aufforderungen der Behörden einfach übergangen? Auf der letzten Hauptversammlung kündigten Sie an, dass Sie in Zusammenarbeit mit dänischen Wissenschaftlern der vorhin genannten Studie eine weitere Überprüfung des Thromboserisikos anstreben. Doch was ist daraus geworden? Liegen Ihnen da schon Ergebnisse vor?
Herr Dr. Dekkers, Sie sind seit Oktober Vorstandsvorsitzender. Warum haben Sie immer noch nicht gehandelt? Vielleicht etwa weil die Pillen der Yasmin-Gruppe zu Ihren umsatzstärksten Medizinprodukten gehören? Sie machen mit diesen Pillen jährlich einen Umsatz von über 1 Milliarde Euro! Ist das etwa der Grund, warum Sie nicht handeln wollen und lieber den Tod weiterer Mädchen im vergangenen Jahr in Kauf genommen haben? Rechtfertigen Umsatzsteigerungen etwa, dass man Frauen ohne ausführliche und umfassende Aufklärung einer erhöhten Thrombosegefahr und somit auch einer konkreten Lebensgefahr aussetzt?
Wir haben Ihnen vergangenes Jahr ein Gesprächsangebot unterbreitet, haben Sie und Ihr Unternehmen auf der letzten Hauptversammlung dazu aufgefordert, sich dem Thema endlich anzunehmen und auf die Betroffenen zuzugehen. Sie haben nicht reagiert. Wenn Sie so von der Ungefährlichkeit Ihres Produkts überzeugt sind, warum können Sie dann nicht mit uns reden? Und sollte es nicht in Ihrem Interesse sein, die Nebenwirkungen der Pille zu erforschen? Und wer könnte besser über die Nebenwirkungen Auskunft geben als wir Überlebende? Sie schweigen uns tot, im wahrsten Sinne des Wortes, stoßen nach der Aktionärsversammlung mit einem Glas Champagner auf Ihr Unternehmen an und hoffen, dass Gras über solche „Störfälle“ wie uns wächst. Aber da haben Sie sich getäuscht. Sie würden uns Betroffene gerne in die Ecke stellen, dass man uns nicht ernst nehmen kann. Aber wir werden nicht aufgeben, bis BAYER endlich Verantwortung übernimmt. In den USA gibt es rund 8000 Klagen gegen BAYER, in Kanada sind es acht. Und in der Schweiz hat der Prozess gerade begonnen. Ich möchte nun von Ihnen wissen, wie viele Klagen Ihnen weltweit bekannt sind, wie viele Vergleiche bereits geschlossen wurden und ob es bereits rechtskräftige Urteile gibt.
Dass sich das Thema nicht einfach mehr unter den Tisch kehren lässt, wie Sie es gerne hätten, zeigt auch ein Urteil aus der Schweiz. Dort haben Sie einen Fernsehsender verklagt, der über das Schicksal von Celine berichtet und somit die Diskussion um das erhöhte Thromboserisiko drosperinonhaltiger Pillen eröffnet hat. Sie warfen dem Sender vor, „manipulativ“ gearbeitet zu haben und sind grandios vor dem Bundesgericht gescheitert. Warum stellen Sie sich nicht einfach den Fakten, sondern versuchen kritische Stimmen mundtot zu machen? Die Frage ist nun, wer hier manipulativ arbeitet…
Wir Betroffenen hier standen allesamt mitten im Leben, hatten gerade das Studium beendet oder waren schon fest im Berufsleben verankert. Wir sind keine unwissenden, naiven Mädchen, die denken, dass die Pillen Süßigkeiten sind. Wir sind Tierärztinnen, Journalistinnen, Juristinnen, Architektinnen, die darauf vertraut haben, dass die Pille ihnen nicht schaden würde, weil wir nicht die Risikofaktoren erfüllen. BAYER hat uns unserer körperlichen Unversehrtheit beraubt, manchen sogar das Leben. Keine von uns wird je wieder ganz gesund. Sie haben unser Leben und das unserer Familien komplizierter und anstrengender gemacht. Sie haben uns schreckliche Qualen durchleiden lassen, uns die Unbeschwertheit geraubt und uns zurückgelassen mit der Angst, dass wieder was passieren kann, fremdbestimmt durch Medikamente und Arztbesuche. Sie haben uns ein gesundes, selbstbestimmtes Leben unmöglich gemacht. Wir müssen nun blutverdünnende Medikamente nehmen, mit denen wir nicht schwanger werden dürfen. Wir sind junge Frauen Mitte/Ende 20 und dürfen keine Kinder bekommen. Die Antibabypille hat in diesem Fall wirklich ganze Arbeit geleistet. Herr Dr. Dekkers, Sie haben selbst drei Töchter. Würden Sie ihnen eine Pille der Yasmin-Gruppe empfehlen?
Ich zitiere: „Ziel von Bayer HealthCare ist es, Produkte zu erforschen, zu entwickeln, zu produzieren und zu vertreiben, um die Gesundheit von Mensch und Tier weltweit zu verbessern.“ Das lässt sich so zumindest Ihrer Homepage entnehmen. Lebensbedrohliche Erkrankungen, lebenslängliche Behinderungen, Medikamenteneinnahme, lebenslange Folgeschäden und sogar Todesfälle. Verstehen Sie DAS unter „Science for a better life?“
Wir werden solange kämpfen, bis Sie die drospirenonhaltigen Pillen vom Markt genommen haben. Wir waren letztes Jahr hier, wir sind dieses Jahr hier und wir werden wieder kommen. Übernehmen Sie endlich Verantwortung!